Betreuungs­regelung gemeinsame Obhut

Vater muss nicht für verheiratete Mutter seines Kindes zahlen

 

Das Problem
Mit der Neuregelung des Kindesunterhalts im Jahr 2017 hat der Gesetzgeber den sogenannten Betreuungsunterhalt eingeführt. Mit dem Betreuungsunterhalt wird der notwendige Lebensunterhalt des betreuenden Elternteils finanziert, solange dieser wegen der Kinderbetreuung ganz oder teilweise auf eine Erwerbstätigkeit verzichten muss und sich darum nicht selber unterhalten kann. Wenn eine betreuende Mutter zwei Kinder von zwei verschiedenen Vätern hat, stellt sich die Frage, welcher der Väter den Betreuungsunterhalt bezahlen muss.

Der Fall
A und B waren nicht verheiratet und wurden 2012 Eltern einer Tochter, die bei der Mutter B lebte. B lebte (teilweise) von der Sozialhilfe. A hat ein Einkommen von durchschnittlich Fr. 21'000.– pro Monat. Im Oktober 2017 heiratet B den C. B und C werden im November 2017 Eltern einer (zweiten) Tochter.

Das Urteil
Der Fall beeindruckt durch die Länge des Verfahrens. Die Mutter hat die Unterhaltsklage am 16. Oktober 2013 hängig gemacht. Das Bundesgericht hat sein Urteil 20. April 2022 gefällt. Der Grund war, dass A und B gleichzeitig ein langjähriges Verfahren über die elterliche Sorge und die Betreuung führten.

Wenig erstaunlich ist dass A den Barunterhalt, also die Kosten der gemeinsamen Tochter finanzieren und bis Oktober 2017 auch Betreuungsunterhalt bezahlen muss.

Für die Zeit nach der Heirat fand das Bundesgericht, dass ein Ehepaar gemäss Art. 163 Abs. 1 ZGB frei sei, wie es sich organisiert und welchen Beitrag jeder Ehegatte an den gemeinsamen Haushalt leistet. B und C hätten sich dahin verständigt hätten, dass C seinen Beitrag an den Haushalt durch Geldzahlung erbringe, während B den Haushalt führe und das gemeinsame Kind betreue. Durch den Geldbeitrag von C sei der Lebensunterhalt von B gedeckt. Darum hat benötige sie keinen Betreuungsunterhalt von A.

Fasst man diese Begründung des Bundesgerichts zusammen, geht die Unterhaltspflicht des Ehemannes der Pflicht des nicht verheirateten Vaters vor, Betreuungsunterhalt zu leisten.

Keine Rolle spielt gemäss dem Urteil die finanzielle Situation der beiden Väter. A hat ein ausserordentlich hohes Einkommen. Das Einkommen von C wird nicht erwähnt. Man hätte darum auf die Idee kommen können, den Betreuungsunterhalt A aufzuerlegen, weil seine finanzielle Leistungsfähigkeit so hoch. Das Bundesgericht zieht dies nicht einmal in Erwägung. Man muss darum annehmen, dass A solange keinen Betreuungsunterhalt zahlen muss, wie C seine Ehefrau unterhalten kann. Ob A auch dann keinen Betreuungsunterhalt bezahlen müsste, wenn C nicht in der Lage wäre, seine Ehefrau B zu unterhalten, dazu äussert sich das Bundesgericht nicht.

Offen bleibt nach diesem Urteil, wie der Betreuungsunterhalt zwischen zwei Vätern verteilt wird, welche beide nicht mit der Mutter verheiratet sind. Da sich das Bundesgericht in diesem Urteil auf die eheliche Unterhaltspflicht gestützt hat, dass A zumindest einen Teil des Betreuungsunterhalts hätte bezahlen müssen, wenn B und C nicht geheiratet hätten. Denn in diesem Fall hätte B keinen eherechtlichen Anspruch auf Unterhalt gehabt, der die Pflicht des A hätte verdrängen können, Betreuungsunterhalt zu zahlen.

Es gibt mehrere Kriterien, nach welchen der Betreuungsunterhalt aufgeteilt werden könnte. Man hätte argumentieren können, dass A nur für die Hälfte des Betreuungsunterhalts aufkommen muss, weil seine Tochter ab 2017 schon im Kindergarten ist und die Mutter nach dem Schulstufenmodell 50 % arbeiten müsste, während die Tochter von C noch nicht in der obligatorischen Schule ist und B darum gemäss Schulstufenmodell nicht verpflichtet ist, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Man kann den Betreuungsunterhalt hälftig oder nach der finanziellen Leistungsfähigkeit der Väter aufteilen. Man kann auch den Vater mehr belasten, der mit der Mutter im Konkubinat lebt.

BGE 148 III 353

13 February 2023

 
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